Fotografieren von Landschaften ist eine Kunstform. Bei einem mitreißenden Landschaftsbild treffen Kreativität und handwerkliches Können aufeinander und bilden eine Symbiose. Du kannst kreativ sein wie Picasso, aber ohne handwerkliche Fähigkeiten wirst du keine exzellenten Bilder aufnehmen. Umgekehrt kannst du die technische Perfektion eines Fotografenmeisters haben. Aber ohne Kreativität werden deine Bilder keine Seele haben und nicht berühren. Du brauchst also beides. In meinem Artikel Landschaftsfotografie Tipps habe ich ausführlich die technischen Grundlagen beschrieben. In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, wie Du deine künstlerischen und kreativen Fähigkeiten beim Fotografieren von Landschaften entwickeln kannst.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Von der Pflicht zur Kür: Geh raus und übe
- 2. Lies dich ein: aber übertreib es nicht.
- 3. Werkunterricht 2.0: Besuch einen Workshop.
- 4. Hommage an die Einsamkeit: Geh allein raus.
- 5. Appell an die Gemeinsamkeit: Geh nicht nur allein raus.
- 6. Studieren statt kopieren: Schau dir Arbeiten der Besten an.
- 7. Kreativität 2go: Mache dir Notizen.
- 8. Am Tellerrand: Gönn dir einen Kreativsmoothie.
- 9. Das Pippi-Prinzip: Mach was dir gefällt.
- 10. Planvoll: Gib dir Projekte.
- 11. Papiertiger: Druck deine Fotos aus.
- 12. Gar nicht kritisch: Bitte um Feedback.
- 13. Heimatgefühle: Fotografieren von Landschaften vor deiner Haustür.
1. Von der Pflicht zur Kür: Geh raus und übe
Fotografie und damit auch das Fotografieren von Landschaften ist nicht nur Handwerk, sondern vor allem auch Kunst. Ein Kunsthandwerk sozusagen. Bevor deine Fotografie aber zu Kunst werden kann, musst du zunächst dein Handwerk verstehen. Erst wenn Du deine technischen Hausaufgaben gemacht hast, kannst du auch deiner Kreativität Ausdruck verleihen. Aber was ist eigentlich das Handwerkszeug eines Landschaftsfotografen? Zunächst musst du deine Kamera und die sonstige Technik genau kennen und natürlich auch blind bedienen können. Du solltest auch genau wissen, wie und wofür du fotografische Parameter wie zum Beispiel Blende und Verschlusszeit einsetzen kannst. Bildkomposition, Nutzung des natürlichen Lichts und Schärfesteuerung sollten dir in Fleisch und Blut übergegangen sein. Erst wenn du all dies automatisiert aus deinem Unterbewusstsein abrufen kannst und nicht mehr darüber nachdenken musst, hast du den Freiraum für die Kür. Nämlich dich den kreativen Aspekten der Fotografie zu widmen, zu einem Künstler zu werden. Denke einmal an einen Pianisten. Nur wenn dieser sein Klavier im Schlaf bedienen und sein Musikstück auswendig spielen kann, wird er zu einem virtuosen Musiker werden. Wenn er erst die richtigen Tasten auf dem Piano suchen muss sicherlich nicht. Also geh raus, fotografiere viel und übe dein Handwerk. Und wenn du fertig bist, übe gleich nochmal. Und zwar solange, bis es ein Teil von dir geworden ist. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
2. Lies dich ein: aber übertreib es nicht.
Viele Einsteiger bringen sich die Fotografie autodidaktisch mit Büchern, Zeitschriften und Internetartikeln wie diesem bei. Das ist völlig legitim und auch ich habe mir so am Anfang meine Grundkenntnisse angeeignet. Wichtig ist es dabei aber, sich nicht zu verzetteln. Viele machen den Fehler, sich eine halbe Bibliothek ins Regal zu stellen oder zig Artikel abzuspeichern, daraus aber keinen Nutzen zu ziehen. Sei es, weil sie angesichts der Informationsfülle eher verwirrt als aufgeklärt sind. Oder weil sie vor lauter Lesen gar nicht zum Fotografieren kommen. Genau das aber ist das Entscheidende. All das Wissen ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist, solange es nicht zur Anwendung gelangt. Mein Ratschlag: Suche dir für den Anfang maximal zwei bis drei Bücher über die Grundlagen der Fotografie aus. Bücher zu diesem Thema gibt es heute wie Sand am Meer. Nimm dir etwas Zeit, Bücher zu finden, deren Schreibe und didaktischer Ansatz dir gefällt. Ob du es dabei eher sachlich-nüchtern magst (z. B. Lehrbücher von Prof. Mante), eher locker-flockig (z. B. Scott Kelby) oder eine Mischung aus beidem (wie mein eigenes Landschaftsfotografie Buch) spielt dabei keine Rolle. Du solltest aber darauf achten, dass die Bücher einige praktische Beispiele zum Nachmachen beinhalten. Arbeite diese Bücher dann intensiv durch. Nicht nur einmal kurz durchblättern, sondern wirklich sorgfältig lesen. Im nächsten Schritt solltest du das Gelesene dann praktisch umsetzen. Später, wenn du die Inhalte dann verinnerlicht hast kannst, kannst du dir immer noch weitere Bücher kaufen, z. B. zu fotografischen Spezialthemen. Tipp: Da der einschlägige Büchermarkt heute sehr unübersichtlich ist, habe ich in einen Artikel meine liebsten Bücher rund um das Thema Landschaften fotografieren zusammengestellt: Landschaftsfotografie Bücher.
Übrigens: auch dem Handbuch deiner Kamera solltest du dich einmal widmen. Ja ich weiß, das ist nicht gerade aufregend. Aber dennoch wichtig, um Punkt 1 umzusetzen.
3. Werkunterricht 2.0: Besuch einen Workshop.
Natürlich kann man sich das Fotografieren von Landschaften theoretisch aus Büchern und dem Internet aneignen, was aber recht mühsam und zeitaufwendig ist. Ein effizienterer Weg, um schnell voranzukommen sind Fotoworkshops. Es ist viel leichter Neues zu lernen, wenn man es persönlich vermittelt bekommt. Es ist jemand da, der dir unmittelbar deine Fragen beantworten und bei Verständnisproblemen helfen kann. Ein weiterer Vorzug von Workshops ist auch, dass du das Gelernte direkt ausprobieren kannst und dir dabei ein Mentor beiseite steht. Gerade am Anfang ist das ein entscheidender Vorteil: manchmal gibt es einfach Themen, zu denen man zigmal eine etwas lesen kann und sie trotzdem nicht versteht. Oft kommt der Aha-Effek aber recht schnell, wenn man sie dann einmal richtig und persönlich erklärt bekommt und praktisch nachvollziehen kann. Workshops sind auch immer eine tolle Chance, dass man Gleichgesinnte kennen lernt und sich mit ihnen austauschen und vernetzen kann.
Wenn du dir einen Workshop suchst solltest du darauf achten, dass dieser möglichst praxisnah ist und nicht etwa nur Theorie vermittelt (oft bei VHS-Kursen). Du solltest auch schauen, dass der Kurs deinem Level entspricht. Auch sollten es nicht zu viele Teilnehmer sein. Im Zweifelsfall frage konkret beim Anbieter nach. Wichtig ist auch, wer der Referent ist. Hat er Erfahrung als Fotograf und als Workshopleiter, ist er Spezialist auf seinem Gebiet? Jemand, der Workshops von Hochzeit über Blümchen bis Landschaft anbietet, kann wahrscheinlich nichts davon richtig. Kann er Referenzen vorweisen? Gibt es Fotos von ihm und wie sehen die aus? Leider ist der Workshopmarkt heute überflutet von Angeboten, bei denen man sich manchmal fragt, ob der Referent nicht selbst erst vor Kurzem das Fotografieren gelernt hat. Gute Plattformen, um qualitative Workshops im deutschsprachigen Raum zu finden sind derzeit creamondo oder lensevents. Auch ich selbst biete jedes Jahr einige Workshops zum Thema Landschaftsfotografie an. Wenn du daran Interesse hast, kannst du gern hier nachsehen: Landschaftsfotografie Workshop
4. Hommage an die Einsamkeit: Geh allein raus.
Beim Fotografieren von Landschaften habe ich immer dann die besten Bilder mitgebracht, wenn ich allein unterwegs war. Daher möchte ich dir das auch ans Herz legen. Das heißt jetzt nicht, dass ich ein Eigenbrötler oder nicht gern unter Menschen bin. Im Gegenteil, ich bin ein ziemlich geselliger und extrovertierter Typ. Aber: in der Einsamkeit habe ich keine Ablenkung, kann mich voll und ganz auf die Landschaft konzentrieren, sie auf mich einwirken lassen. Ich kann beobachten, was die Kulisse in mir bewirkt, ja sogar in eine emotionale Interaktion mit ihr treten. Wie fühlt sich die Landschaft für mich an, was löst sie in mir aus? Aber warum ist das wichtig? Weil Kreativität immer mit deiner eigenen Emotion und Intuition zu tun hat. Darauf kannst du dich aber nur schlecht konzentrieren, wenn andere Menschen dich ablenken. Noch ein Vorteil: Ich kann meinem eigenen Takt, meinem eigenen Rhytmus nachgehen, mir soviel Zeit nehmen, wie ich persönlich es brauche, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Nicht zuletzt hat das „Allein da draußen“ auch einen kontemplativen Aspekt für mich. Im Zeitalter der Digitalisierung tut es gut, einfach mal im off-Modus zu sein, die Klappe zu halten und sich auf die Natur, sich selbst und sein Fotografieren von Landschaten zu konzentrieren. Und davon profitieren dann auch deine Fotos. Probiere es einfach aus.
5. Appell an die Gemeinsamkeit: Geh nicht nur allein raus.
Gerade habe ich noch gepredigt, dass du allein fotografieren gehen sollst und jetzt empfehle ich dir genau das Gegenteil. Passt das denn zusammen? Ja, weil beides seine Vorzüge hat. Auf die richtige Balance kommt es an. Fotografieren mit anderen zusammen kann durchaus inspirierend und lehrreich sein. Es ist zum Beispiel immer interessant zu sehen, wie andere Kollegen an ein Motiv herangehen, wie sie es technisch und gestalterisch umsetzen. Welche Technik setzen sie ein, wie ist ihr Workflow? Beim gemeinsamen Fotografieren lernt man auch immer voneinander. Der eine ist vielleicht ein Bildkompositionsguru, der nächste ein Wetterexperte, ein anderer ein Techniknerd oder ein Navigationsprofi. Noch ein Vorteil ist, das man sich auch gegenseitig motivieren kann. Vielleicht, um doch noch den Berg hochzusteigen, obwohl man schon ausgelaugt ist. Oder doch schon mitten in der Nacht aufzustehen, obwohl man noch todmüde ist.. Last but not least macht es natürlich auch einfach Spaß, wenn man mit Gleichgesinnten seiner Leidenschaft nachgehen und sich austauschen kann. Bei größeren Touren hat es oftmals auch ganz pragmatische Gründe, sich zusammen zu tun. Viele Expeditionen (z. B. zuletzt nach Grönland) habe ich in internationalen Fotografenteams unternommen, weil man sich so den Aufwand für die Logistik teilen kann und es natürlich auch sicherer ist, wenn man nicht ganz mutterseelenallein in der Wildnis unterwegs ist.
6. Studieren statt kopieren: Schau dir Arbeiten der Besten an.
Ein weiterer Ansatz, von anderen Fotografen zu lernen, ist ihre Arbeiten einmal ganz genau anzusehen. Idealerweise orientierst du dich an erfolgreichen Fotografen und auch an welchen, deren Bilder du einfach magst. Auf alle Fälle sollten es Fotografen sein, die deutlich weiter sind als du. Schau dir an, wie ihre Bilder auf dich wirken. Versuche heraus zu finden, warum das so ist bzw. was genau dich anspricht. Versuche zu analysieren, welche Stilmittel sie nutzen. Wie ist der Bildaufbau, mit welchem Licht arbeiten sie, welche Motive wählen sie aus? Welche Spezialtechniken (Langzeitbleichtung, etc.) nutzen sie? Was unterscheidet ihre Fotos von deinen eigenen? Es geht hierbei nicht darum, andere Fotografen zu kopieren oder sich an ihnen zu messen. Es geht darum zu verstehen, wie die besten Fotografen arbeiten, um exzellente Bilder zu erstellen. Wenn du das herausgefunden hast, kannst du diese Erkenntnisse möglicherweise auf deine eigenen Bilder übertragen. Du weißt nicht, welche Fotografen du dir ansehen solltest? Versuche es doch einmal mit den folgenden weltbekannten Kollegen, deren Arbeit ich persönlich sehr schätze und in meinem Artikel „Die besten Landschaftsfotografen der Welt“ vorstelle. Nicht zuletzt empfehle ich dir auch, dich einmal mit den Arbeiten der „alten Meister“ auseinander zu setzen und zu verstehen, warum ihre Bilder auch heute immer noch gut funktionieren. Suche einmal nach Ansel Adams und Elliot Porter.
7. Kreativität 2go: Mache dir Notizen.
Kreativität hat oft etwas Spontanität zu tun. Ideen kommen häufig einfach so und meist genau dann, wenn man sie gerade nicht umsetzen kann. Auf der Autobahn, beim Einkaufen, unter der Dusche, im Meeting, etc. Damit ich diese Gedankenblitze dann nicht wieder vergesse, habe ich mir angewöhnt, meine Ideen möglichst zeitnah aufzuschreiben. Ich selbst habe dafür ein kleines Notizbuch. Du kannst aber auch genauso kleine PostIt-Zettel nutzen, eine Excel-Tabelle, Apps wie Google Notes, Evernote oder OneNote oder was auch immer sich eignet, deine Gedanken zu sammeln. So entwickelt sich über die Zeit eine kreative To-Do-Liste, die ich dann bei passender Gelegenheit angehe.
8. Am Tellerrand: Gönn dir einen Kreativsmoothie.
Was ist eigentlich Kreativität? Es ist die Fähigkeit, etwas Neues zu erschaffen. Es ist in erster Linie ein mentaler Prozess. Verantwortlich für geistige Aktivitäten ist unser Gehirn mit seinen beiden Hälften, den Gehirnzellen und den über Synapsen verbundenen Nerven. Nur wenn dieses System gut funktioniert, können wir kreativ sein. Die gute Nachricht: das System können wir trainieren. Es ist wie mit einem Sportler, der seinen Körper, seine Muskeln und Gelenke trainieren muss, wenn er leistungsfähig in seiner Disziplin sein möchte. Unser Gehirn trainieren wir, indem wir es fordern, stimulieren und ihm immer wieder Impulse geben. Bei der für Künstlerisches zuständigen rechten Gehirnhälfte geht das einerseits, indem wir selbst kreativ werden. Ein gutes Training ist aber auch, dass wir uns mit Ideen und Konzepten anderer Menschen beschäftigen. Je öfter wir das tun, desto mehr Synapsen bilden und vernetzen sich und umso kreativer werden wir sein können. Also gib deinem Gehirn das richtige Futter und schau dabei auch ruhig mal über den Tellerrand der Landschaftsfotografie hinaus. Vielleicht besuchst du eine Fotoausstellung zu einem ganz anderen Thema, gehst in eine Galerie mit Malereien, schaust dir spannende Architektur an, besuchst ein Museum oder ein schönes Konzert. Hauptsache, ein kreativer Impuls. Wenn du noch einen zusätzlichen Kreativitätsbooster einbauen willst, überlege einmal, welche Parallelen es zum Fotografieren von Landschaften gibt. Entdeckst du Gestaltungsregeln wie den goldenen Schnitt wieder? Wie korrespondieren die Töne eines Musikstücks mit den den Tonwerten in einem Landschaftsfoto? Deine Synapsen werden es dir danken, sich neu verknüpfen und damit deiner Kreativität einheizen.
9. Das Pippi-Prinzip: Mach was dir gefällt.
„Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“ singt Pippi Langstrumpf und hüpft leichtfüssig mit wehenden Zöpfen durchs Leben. Eben an dieser Unbeschwertheit fehlt es uns heute in unserer vernetzten Leistungs- und Sensationsgesellschaft häufig. So auch in der Fotografie. Wie oft adaptieren wir das, was die anderen Fotografen machen? Wie oft fotografieren wir, was die andere ablichten? Wie oft lassen wir uns von der Meinung anderer beeeinflussen? Und wie oft heischen wir danach, möglichst viele Likes in den sozialen Medien einzusammeln, wenn wir dort unsere Bilder einstellen? Ich nehme mich da selbst gar nicht aus. Daher nun meine Empfehlung: Halte doch mal einen Moment inne und hinterfrage dein Tun. Ist es ursprünglich nicht dein Verlangen nach deinem eigenen kreativen Ausdruck gewesen, der die Freude an der Fotografie in dir entfacht hat? Ein Foto ist immer etwas Persönliches, eine visuelle Kommunikationsform desjenigen, der es erstellt. Wenn du dich unterhältst, plapperst du doch auch nicht anderen alles nach? Das wäre nicht authentisch und dein Gesprächspartner würde dich nicht ernst nehmen. Also nimm dir ein Beispiel an Pippi und mach dein eigenes Ding. Du musst nicht der 54.786te Fotograf sein, der den Kirchturm von Hallstadt mit Spiegelung ablichtet, den Eibsee mit der Drohne aufnimmt oder ein Vintage-Selfie in gelbem Friesennerz bei Instagram einstellt. Allen kannst du es ohnehin nicht recht machen. Bestes Beispiel sind meine eigenen Arbeiten. Die einen sagen, meine Bilder sind zu bunt, zu kontrastreich, zu stark bearbeitet. Andere hingegen meinen, meine Fotos sind zu nüchtern, könnten ruhig noch etwas mehr Farbwums und ein paar Luminazmasken vertragen. „Jedem Recht getan ist eine Kunst, die keiner kann.“ heißt es treffend im Volksmund. Also mach es doch gleich so, wie es dir selbst am besten gefällt. Geh raus, folge deiner Inspiration, finde deine eigenen Motive, entdecke deine eigene Vision, entwickle deine eigene Bildsprache. Dann bist du hinterher nicht nur stolz auf deine Entdeckungen. Deine Fotos werden unweigerlich auch an Originalität und Aufmerksamkeit gewinnen, wenn der Betrachter nicht das Gefühl hat, das Motiv schon tausendfach zuvor bei Facebook und Co. gesehen zu haben.
10. Planvoll: Gib dir Projekte.
Gerade Anfänger in der Fotografie knippsen oft alles, was ihnen vor die Linse kommt und bei 5 nicht auf den Bäumen ist. Das mag am Anfang auch in Ordnung sein, um sich auszuprobieren und seine fotografischen Interessen zu finden. Wenn du dich aber – nicht nur beim Fotografieren von Landschaften – weiter entwickeln möchtest, empfehle ich dir, etwas konzeptioneller vorzugehen und dir kleine Fotoprojekte vorzunehmen. Projekte haben immer einen fest definierten Anfangs- und Endzeitpunkt und sind auf ein bestimmtes Thema begrenzt. Du könntest zum Beispiel alle Seen im Umkreis von 50 Kilomteren fotografieren. Oder die schönsten Naturattraktionen in deinem Heimatort. Oder alle Inseln von Ostfriesland. Oder alle Frühblüher im Naturschutzgebiet vor deiner Haustür. Du könntest auch einen fotogenen Baum oder eine Landschaft zu unterschiedlichen Jahreszeiten und Lichtstimmungen immer wieder neu abbilden. Du kannst auch dokumentarisch vorgehen und zum Beispiel den zivilsatorischenEinfluss auf Landschaften fotografisch festhalten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. In Kasachstan habe ich einen Reisefotografen kennengelernt, der ein ganz spezielles Projekt voller Enthusiasmus verfolgte: er fotografierte ausschließlich Klotüren in Mittelasien. Darauf muss man erstmal kommen. Wie auch immer ein Projekt geartet ist, eines ist allen gemein: du befasst dich intensiv mit einem Motiv oder Thema. Dadurch erhältst du einen tieferen Einblick, ein profundes Wissen über dein Sujet. Dieses Insiderwissen kannst du wiederum in deinen Fotos nutzen. Außerdem lernst du, konsequent an einer Sache dranzubleiben und erhöhst natürlich auch statistisch die Wahrscheinlichkeit, besonderes Material aufzunehmen. Übrigens eignen sich solche Projekte auch immer gut, sie in Ausstellungen oder Zeitschriftenartikeln einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen.
11. Papiertiger: Druck deine Fotos aus.
Aus meiner Sicht gibt es für einen Fotografen nichts Schöneres, als einen gelungenen Ausdruck seines Bilds in der Hand zu halten. Solange du dein Foto „nur“ am Bildschirm betrachtetest, kommt es nicht aus der virtuellen, immateriellen Sphäre hinaus. Bei einem Ausdruck oder einer Ausbelichtung kommt die haptische Komponente dazu. Du hast deine Fotografie dann quasi zum Leben erweckt, sie in die „echte“ dreidimensionale Welt überführt. Und damit wächst auch die Wertschätzung für deine fotografische Arbeit. Spätestens dann hast du das Gefühl, ein „echtes Werk“ oder gar ein „Kunstwerk“ erschaffen zu haben. Für mich war es ein großer Entwicklungssprung, als ich vor einigen Jahren begann, meine Arbeiten auszudrucken. Seitdem habe ich eine sehr viel engere Bindung zu meiner eigenen fotografischen Arbeit aufgebaut. Also: schnapp dir zwei oder drei deiner Lieblingsaufnahmen, suche dir ein anständiges Labor (z. B. Saal Digital, Whitewall oder auch den lokalen Druckstore, sofern dort Fine Art Printing angeboten wird). Lasse dir dort deine Bilder auf verschiedene Medien wie Kunstdruck-/Fine Art Papier (mein Tipp: Hahnemühle PhotoRag) oder Leinwand drucken. Du kannst auch ganz klassisch dein Foto auf gutes Fotopapier ausbelichten lassen. Je größer und hochqualitativer, desto besser. Du wirst deine Arbeit dann garantiert noch einmal mit ganz anderen Augen sehen. PS: Denke daran, dass du deine Fotos meist noch für den Ausdruck vorbereiten/bearbeiten musst – Stichwort ICC-Profile.
12. Gar nicht kritisch: Bitte um Feedback.
In unserer Kultur, speziell in Deutschland haben viele Menschen ein Problem mit Kritik. Dabei ist konstruktives Feedback sehr wertvoll, um sich weiter zu entwickeln, aus seinen Fehlern zu lernen und sich und sein Tun zu reflektieren. Das gilt natürlich nicht nur für die Fotografie, sondern für alle Bereiche des Lebens. Aber wo kannst du eigentlich konstruktive Kritik für deine Bilder oder für das Fotografieren von Landschaften bekommen? Vergiss Facebook, Instagram oder andere Mainstream-Social Kanäle. Dort wirst du in der Regel nur Lob bekommen. Klar, meistens sind es ja auch Freunde und Bekannte, die dort kommentieren/liken und das werden sie wahrscheinlich nur tun, wenn ihnen dein Bild gefällt. Dazu kommt, dass zumeist auch die Expertise fehlt. Besser ist es, sich die Kritik von Menschen zu holen, die sich mit dem für das Fotografieren von Landschaften auskennen und idealerweise schon weiter sind als du selbst. Andere Fotografen findest du zum Beispiel in Fotoverbänden wie etwa der GDT (mit diversen Regionalgruppen im ganzen Bundesgebiet) oder dem Deutschen Verband für Fotografie dvf. Auch in spezialisierten Foren (Naturfotografie-Forum, Nikonforum, DSLR-Forum, etc.) ist man in der Regel bereit, dir ehrliches Feedback zu geben. In den großen sozialen Fotoplattformen wie flickr oder 500px trifft das eher nicht zu. Hier geht es eher darum sich gegenseitig zu feiern und zu promoten, als voneinander zu lernen. In vielen Städten gibt es auch Fotostammtische oder Fotowalks bei denen du Gleichgesinnte finden kannst. Wenn du von professionelle Erfahrung profitieren möchtest, kannst du auch einmal an einer Portfolio-Sichtung teilnehmen. Dabei geben dir dir Profis wie Hochschuldozenten, Art Director, Bildredakteure oder Galerien ein Feeeback zu deinen Arbeiten. Portfolischauen werden zum Beispiel von Fotoschulen, Fotografielehrstühlen, Fotoverbänden, aber auch auf manchen Fotomessen und Festivals angeboten. Auch manche Fotoworkshops beinhalten Bildbesprechungen (siehe Punkt Workshops).
Wichtig ist, dass du dein Gegenüber explizit um eine offene und ehrliche Kritik bittest. Diese solltest du dann aber auch annehmen und nicht geknickt sein, wenn dir das Feedback mal nicht gefällt. Bedanke dich stattdessen für die Zeit, die sich dein Gegenüber genommen hat. Denke darüber nach, was du aus dem Gesagten lernen und was du möglicherweise verbessern kannst.
13. Heimatgefühle: Fotografieren von Landschaften vor deiner Haustür.
Beim Fotografieren von Landschaften ist man oft darum bemüht, möglichst spektakuläre Motive vor die Kamera zu bekommen. Nicht selten reist man dafür um die halbe Welt. Davon kann auch ich ein langes Liedchen singen. Dies gilt umso mehr, da ich an meinem Wohnort Halle nicht gerade von spektakulärer Landschaft umgeben bin. Der höchste „Berg“ weit und breit: nicht mal 130 Meter hoch. Fotogene Seen, Strände, wilde Wälder? Gibt es hier nicht. Die heimische Natur übt sich in Zurückhaltung. Lange Zeit habe ich deshalb meine nähere Umgebung fotografisch komplett außer acht gelassen. Heute sehe ich das etwas anders. Was auf den ersten Blick gerade für die Landschaftsfotografie ein Nachteil ist, kann nämlich auch als Vorteil begriffen werden, besonders wenn man sich fotografisch weiter entwickeln möchte. Schließlich stellt das Fotografieren in eher langweiligen Umgebungen eine sehr viel größere fotografische Herausforderung dar, als wenn die Natur das schöpferische Füllhorn verschwenderisch vor einem ausschüttet. Vor meiner Haustür ist es deutlich anspruchsvoller, dramatische Motive herauszuarbeiten. Man muss die Augen schon sehr offen halten und fotografische Techniken stärker ausreizen, um eindrucksvolle Landschaftsbilder zu erstellen. Dies wiederum schult deinen fotografischen Blick und deine Fähigkeiten, auch aus auf den ersten Blick belanglosen Motiven noch etwas herauszuholen. Und es gibt noch weitere Vorteile. Der zeitliche und logistische Aufwand ist überschaubar, Fotospots sind schnell erreicht. Macht das Wetter einen Strich durch die Rechnung kommt man eben einen Tag später wieder. Auf Fernreisen, bei denen ich die Routen fast minutiös durchplane und in kurzer Zeit große Distanzen zurücklege, geht das natürlich nicht. Für ein Fotografieren in heimischen Gefilden spricht auch, dass man „sein Revier“ einfach viel intensiver und im Gewand verschiedener Jahreszeiten kennen lernen kann. Also schnapp dir doch einfach mal deine Kamera und such dir ein Motiv, was du innerhalb von 20 Minuten erreichen kannst.
Tipp: Wenn du einige Inspirationen für Landschaftsfotografie haben möchtest, empfehle ich dir meinen Artikel: Fotospots Deutschland. Vielleicht ist einer dieser Orte ja ganz in deiner Nähe.
Ich hoffe, dass ich dir in diesem Artikel einige neue Inspirationen und Gedankenanstösse für das kreative Fotografieren von Landschaften geben konnte. Wenn dir der Beitrag gefallen hat, du Fragen oder weitere Anregungen hast, freue ich mich, wenn du mir unten deinen Kommentar da lässt. Ansonsten wünsche ich dir viel Spaß und Erfolg beim Entwickeln deiner eigenen Kreativität.
Ein sehr schön geschriebener Artikel. Als kleine Anmerkung/Wunsch: Im letzten Absatz sprichst du davon, dass du auch in deiner Heimat fotografiert. Konnte auf Anhieb auf deiner Website keine Bilder von der Heimat finden. Ich persönlich fände es schön wenn du in deiner Galerie vielleicht noch eine Rubrik „Heimat“ aufmachst. Denn ich stehe hier vor der selben Herausvorderung. Gerne fahre ich in die Alpen um neben dem Wandern auch zu fotografieren. Das fällt natürlich bei der Landschafts recht leicht. Im Bergischen Land hingegen muss man schon genau suchen und kann hier deinem Artikel nur beipflichten, dass es eine Herausforderung ist. Umso mehr würden mich hier deine Arbeiten interessieren! Gruß, Ralf
Hallo Ralf,
herzlichen Dank fürs Lesen und das nette Feedback. Ich freu mich, dass dir der Text gefällt. Tatsächlich findest du einige meiner „Heimat-Bilder“ in der Deutschland-Galerie 😉
Aber ich denke auch gern einmal über deinen Vorschlag nach, eine eigene Galerie zu diesem Thema zu erstellen.
Herzliche Grüße aus Halle,
David