Stell dir vor, es gibt ein Land, das achtmal größer ist als Deutschland. Und doch kennt es kaum jemand. Ein Land, in dem bizarre Wüsten auf urzeitlich anmutende Canyons treffen. In dem sich Hochhaus große Sanddünen ein Stelldichein mit ewigen Gletschern geben. In dem sich die Siebentausender des Tien Shan in smaragdenen Bergseen spiegeln. In dem unendliche Grassteppen ebenso zum Landschaftsbild gehören wie einsame Salzseen und unwirkliche Mondlandschaften. Und stell dir vor, dennoch fährt kaum jemand hin. Willkommen in Kasachstan.
Es ist ein klarer September-Morgen im Tien Shan, unweit der chinesischen Grenze. Um 5.30 reißt mich der schrille Weckton des GPS-Geräts aus meinen frostigen Träumen. Bei deutlich unter null Grad schäle ich mich widerwillig aus meinem Schlafsack. Auf dem Zeltdach glitzert eine Patina aus Eiskristallen im letzten Mondlicht. Es ist so still, das ich meinen eigenen Atem höre.
Atemlos bin ich, als ich 20 Minuten später den Gipfel eines nahen Berges erreicht habe. Das liegt nicht nur am schnellen Aufstieg mit vollem Fotorucksack, sondern vor allem am Panoramablick, der mich jetzt für das frühe Aufstehen entlohnt. Ich bin sofort hellwach. Die Kulisse, die sich hier oben, auf 2.400 Metern vor meinen Augen ausbreitet, ersetzt jeden noch so starken Kaffee. Das komplette Ensemble der Tien-Shan-Gipfel bildet eine gewaltige Silhouette im roten Morgenlicht.
Und über allen thront er – der Khan Tengri. Der „Herrscher des Himmels“, so die Übersetzung aus dem Chinesischen, gilt mit seiner 7.010 Meter hohen, symmetrischen Marmorpyramide als einer der schönsten Berge der Welt. Der sagenumwobene Gipfel wird seit Jahrtausenden von allen zentralasiatischen Völkern verehrt und bot schon immer Stoff für Mythen und Legenden. Meistens verbirgt er sein anmutiges Antlitz hinter dicken Wolken. Und jetzt sehe ich ihn gleich doppelt. Denn das Naturspektakel spiegelt sich im seidenglatten Salzsee direkt unter meinen Füßen. Die Kraniche, die ihr Lager am See aufgeschlagen haben, schlafen noch, als die ersten Sonnenstrahlen die höchsten Berge touchieren. Wenige Minuten später scheint die ganze Kette der Siebentausender in Flammen zu stehen. Naturglück pur. In diesem Augenblick sind allen Strapazen der Reise vergessen und ich bin dankbar, hergekommen zu sein.
Kasachstan ist auf der touristischen Landkarte bis heute ein großer schwarzer Fleck. Wer mich kennt weiß, dass mich gerade derartige Destinationen reizen und zwar nicht nur fotografisch. Es war also nur ein Frage der Zeit, bis ich mein Zelte in diesem Land aufschlagen würde. Nach einiger Vorbereitungszeit habe ich nun im September einen ersten Eindruck von Kasachstan, seinen grandiosen Landschaften und den freundlichen Menschen gewinnen dürfen. In mehreren Wochen habe ich vor allem den südlichen Teil des Landes bereist. Natürlich ist das nur ein winziger Ausschnitt dieses riesigen Staates, aber doch bereits mehr als beeindruckend und reichlich abenteuerlich. Erste Bilder und weitere Informationen folgen in Kürze, stay tuned.
Ich bin in Kasachstan geboren und bin mit 3 nach Deutschland gezogen, bis grade eben wusste ich nicht, wie wunderschön das Land ist aus dem ich komme… wow ich bin wirklich sprachlos und allein dein Text ist so inspirierend,dass ich einfach nur dort hin will und meine Wurzeln entdecken möchte! wirklich wunderschöne Bilder!!
Hallo Julia, herzlichen Dank für deine freundlichen Worte. Ich freue mich sehr, dass dir Text und Bilder gefallen, zumal du zu Kasachstan eine besondere Beziehung hast. Wenn es dir möglich ist, kann ich dir unbedingt empfehlen, einmal dein wunderschönes Heimatland zu besuchen.