Passend zur Jahreszeit stelle ich dieses Mal ein herbstliches Bild vor und zwar aus Kasachstan. Das Foto zeigt ein ebenso anmutiges wie surreales Naturschauspiel im nördlichen Tien Shan Gebirge. Dort versteckt sich auf ungefähr 2000 Metern Höhe inmitten grüngelber Berge der kleine Gebirgssee Kaindy (auch Kajindy See) in einem Hochtal. Wer bisher gedacht hat, dass Bäume nur aus der Erde wachsen können, wird hier eines Besseren belehrt. Das Besondere an diesem See ist nämlich, dass schlanke Fichten aus seiner Wasseroberfläche empor steigen.
Natürlich wachsen die Bäume nicht wirklich unter Wasser. Die bizarre Seznerie ist tatsächlich durch eine Naturkatastrophe Anfang des 19. Jahrhundert entstanden. Ein Erdbeben der Stärke 7,7 auf der Richterskala zerstörte seinerzeit hunderte Häuser in der Region und verursachte heftige Erdrutsche. Auch Teile der Bergflanken gingen damals ab und versperrten das Tal, in dem heute der See liegt. Das kleine Flüsschen Kaindy konnte so nicht mehr abfließen und staute sich über die Jahrzehnte zu einem See auf. Die Tien Shan Fichten, die damals auf dem abgerutschten Hang wuchsen, wurden durch das Wasser des neu entstandenen See überflutet. Auf Grund der sehr niedrigen Wassertemperatur (-3 bis maximal +6 ° Celsius) wurden die Bäume regelrecht konserviert und sind daher bis zum heutigen Tage zu bestaunen.
Wenn man die sich ca. 15 Kilometer steil hinauf windende Holperpiste mit dem Jeep und einen ca. 15-minütigen Fußmarsch bewältigt hat, eröffnet sich dem Betrachter eine wahrhaft märchenhafte Kulisse. Der See wechselt je nach Jahres- und Tageszeit, Lichteinfall und Perspektive immer wieder seine Farbe und changiert von petrol über türkis und grün bis dunkelblau. Im Herbst vermischt sich die farbenfrohe Oberfläche des Sees zudem mit den Reflektionen der ihn einbettenden, bunt gefärbten Bergflanken. Wenn die Thermik gering ist, präsentiert sich der See spiegelglatt und glasklar. Man kann dann bis an seinen bis zu 30 Metern tiefen Grund schauen. Dort sieht man die bizarren Gebilde der uralten, mittlerweile durch Algen überzogenen Fichtenstämme, die ein wenig wie alte Schiffswracks anmuten. Wenn sie dann die Wasseroberfläche durchbrechen, erwecken sie den Eindruck, als würden sie just aus dem Wasser wachsen. Das Wechselspiel aus klaren Unterwasseransichten, den bunten Reflektionen auf der Oberfläche und den aus dem See empor steigenden Stämmen verleiht der Kulisse einen nahezu psychedelischen Charme. Ein Traum für jeden Landschaftsfotografen.
Die Szenerie ist so außergewöhnlich, dass kürzlich sogar Red Bull dort einen etwas fragwürdigen Action-Film drehte. Dazu bretterte man mit dem Motorboot durch die Stille, um waghalsige Wakeboard-Manöver in spektakulärer Kulisse zu filmen. Die alten Baumstämme dienten als Trickbarrieren. Der Film mag beeindruckend sein, aber dennoch und bei aller Sympathie für die Österreicher: geht´s noch? Kürzlich wurde Red Bull in den USA zu einer Millionenzahlung verklagt , weil das Lifestyle-Getränk überraschenderweise nun doch keine Flügel verleiht. Stattdessen hätte man Red Bull lieber dazu verdonnern sollen, für diese aus meiner Sicht unverantwortliche Aktion in einem äußerst fragilen Ökosystem die Summe für den kasachischen Naturschutz zu spenden.
Anbei noch einige weitere Impressionen vom zauberhaften Kaindy Lake: