Auch dieses Jahr blieb der Wunsch nach einer weißen Weihnacht in Deutschland unerfüllt. Allerdings sagte die Wetterprognose unmittelbar nach Weihnachten starken Schneefall in den Hochlagen voraus. Da lag es nahe, einen fotografischen Abstecher in das heimische „Bergland“, den Hochharz, zu unternehmen, um dort vielleicht doch noch dem Winter zu begegnen.
Mein Ziel ist das Gebiet rund um den Brocken und der Gipfel mit seinen 1.141 Metern selbst, den ich heute einmal mehr wandernd erklimmen möchte. Natürlich könnte ich auch einfach bequem mit der dampfenden Brockenbahn hinauffahren. Allerdings schadet es angesichts der zurückliegenden Feiertage sicherlich auch nicht, das ein oder andere Weihnachtskalorien wieder abzubauen. Dachte ich bei mir, griff mir die Fotoausrüstung und schnürte die Wanderschuhe. Wie bestellt verheißt der Morgen des 27. Dezember tolles Wanderwetter. Zwar ist es hier oben in Schierke – immerhin auf über 600 Metern gelegen, bitterkalt. Doch zwischen vereinzelten Schneewolken strahlt die Sonne am stahlblauen Winterhimmel. In der Nacht hat es kräftig geschneit und bei den nächtlichen -15 Grad ist der Schnee liegen geblieben. Das morgendliche Sonnenlicht lässt die weiße Pracht nur so funkeln.
Viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch auf den Brocken. Einer der schönsten ist der Eckernlochstieg, der in Schierke beginnt und für den ich mich heute entscheide. Der Pfad führt steil hinauf durch dichte Nadelwälder, in denen bis heute sogar Luchs, Wildkatze und Auerhahn heimisch sind, auch wenn sie kaum jemand je zu Gesicht bekommt. Als ich durch den Neuschnee nach oben stapfe, biegen sich die Tannen unter ihrer neuen weißen Last. In ihrem Winterkleid muten sie mit etwas Fantasie an wie Märchenfiguren. Unterwegs quere ich kleine, heute oft zugefrorene Bergbäche. Immer wieder schimmern links und rechts des Wegs Blocksteine aus dem Schnee. Dann und wann durchschneidet das unverkennbare Schnaufen der Brockenbahn in der Ferne die winterliche Stille.
Auf 800 Metern schlägt plötzlich das bislang freundliche Winterwetter um. Weißer Nebel hüllt sich rasch wie eine dicke Decke um die Winterlandschaft. Der weiße Dunst wird Meter für Meter immer undurchdringlicher. Knapp unter dem Brockenplateau beträgt die Sicht dann nicht einmal mehr 5 Meter. Statt der erhofften Fernsicht gibt es nun heftiges Schneetreiben und eisigen Wind aus Nordwest. Als wir oben ankommen, hängen überall an Haaren und Kleidung kleine Eisfäden herunter, Jacke und Fotorucksack sind mit einer dichten weißen Patina überzogen.
Mit etwas Glück gibt es hier oben herrliche Rundumblicke vom weitläufigem Brockenplateau. Unter anderem auf die benachbarten Harzgipfel wie den niedersächsischen Wurmberg mit seiner Skisprungschanze. Nicht jedoch heute, denn der Brocken macht seinem Ruf eines unberechenbaren Bergs mit ungemütlichem Wetter heute wieder alle Ehre. Auch wenn der Brocken mit seinen 1.141 Metern „nur“ ein Mittelgebirgsgipfel ist, liegt seine Kuppe exponiert oberhalb der natürlichen Waldgrenze und ist ein Ort extremer Wetterbedingungen: kurze Sommer und sehr lange Winter, viele Monate mit geschlossener Schneedecke, schwere Stürme von bis 270 km/h, niedrige Temperaturen selbst im Sommer, eine Jahresdurchschnittstemperatur von 3 °C und gut 200 nebelverhangene Tage im Jahr. Meteorologen vergleichen dieses Mikroklima mit einer alpinen Lage in 1.600 bis 2.200 Metern Höhe oder dem Klima Islands. Und das mitten in Sachsen-Anhalt.
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, zu Sonnenuntergang und dem morgigen Sonnenuntergang farbenfrohe Lichtstimmungen vor winterlicher Kulisse zu fotografieren. Hierzu habe ich mich über Nacht extra beim Brockenwirt einquartiert. Daraus wurde nun nichts, denn das Wetter änderte sich nicht mehr, im Gegenteil, am späten Nachmittag sah man kaum noch die eigene Hand vor Augen. Also genoss ich einfach die geheimnsivolle Stimmung und versuchte dem Schneetreiben doch noch das das ein oder andere Foto abzutrotzen.
Anbei noch einige weitere Impressionen vom Weg auf den Brocken über den Eckernlochstieg: