Die Costa Brava ist wohl der Inbegriff des touristischen Spaniens. Der Name – übersetzt „wilde Küste“ – ist Programm. Jeden Sommer pilgern Zehntausende junger Briten, Niederländer und deutscher Abiturienten an die katalonische Küste, um feuchtfröhliche Sangria-Parties an goldgelben Stränden und in den zahllosen Clubs von Lloret de Mar bis Calella zu feiern. Die Costa Brava verdankt ihre Bezeichnung aber weniger dem berühmt-berüchtigten Ruf als Feier-Epizentrum als vielmehr der eigenwilligen, stark zerklüfteten Küstentopografie. Und genau deshalb bin ich hier.
Die gut 220 Kilometer lange Küstenlinie der Costa Brava reicht von den Ausläufern der Pyrenäen an der französisch-spanischen Grenze bei Portbou nach Südwesten bis zur Tordera-Mündung bei Blanes. Südlich schließt sich die Costa del Maresme mit der Millionenmetropole Barcelona an. Charakteristisch sind schroffe Felsmassive, die von den parallel zur Küste verlaufenden Gebirgszügen steil zum Mittelmeer hinabfallen und dabei teils tief ins Wasser hineinreichende Halbinseln (caps) und unzählige große und kleine Buchten (calas) bilden.
Manche Strände sind kilometerlang und feinsandig und daher prädestiniert für den Badetourimus. Andere sind winzig klein, steinig und oft auch versteckt und nur schwer zugänglich, entweder mit dem Boot vom Wasser aus oder per pedes über Stock und Stein.
Die felsige Küstenlinie und die Berge im Hinterland sind mit lichten Pinien-, Korkeichen- und Akazienhainen bewachsen. Für mediterranes Flair sorgt auch die typische Vegetation mit Ginster, Zistrosen und wilden Kräutern wie Rosmarin und Thymian.
Im Frühjahr, wenn die Farben noch frisch, das Licht noch weich und die Urlaubermassen noch nicht angereist sind, entfaltet die Region einen durchaus lieblichen, pittoresken Charme, der wenig mit dem allgemein bekannten Klischee gemein hat. Nicht zuletzt gibt es zahlreiche dankbare Motive für die Landschaftsfotografie.
Einer meiner Lieblingsplätze ist die kleine Bucht „Cala del frares“ (Strand der Brüder), die man auf dem Titelbild sieht. Diese erreicht man östlich von Lloret de Mar über einen knapp 20-minütigen Fußmarsch. Baden kann man hier zwar nicht, dafür ragen ein gutes Dutzend Felsformationen wie steinerne Wächter aus dem smaragdfarbenen Wasser empor. Besonders zur Dämmerung kommt eine fast mystische Stimmung auf. Dann ist man hier oft – abgesehen von anderen Fotografen – allein. Angesichts der Ruhe und Abgeschiedenheit kann man kaum glauben, dass nur wenige Gehminuten entfernt die Partymetropole Lloret lautstark die lange Nacht und seine Nachtschwärmer begrüßt.