Als Landschaftsfotograf habe ich in den letzten Jahren viele dramatische Berglandschaften auf aller Welt kennen lernen dürfen. Von A wie Alai bis Z wie Zittauer Gebirge sozusagen. Würde mich jemand fragen, welches Gebirge ich am meisten ins Herz geschlossen habe, dann wären es wohl die Dolomiten. Erst im letzten Herbst zog es mich dort wieder hin. Ziemlich spontan und mit anderer Motivation als sonst, doch dazu später mehr.
Inhaltsverzeichnis
- Dolomiten – Berge, aus denen Legenden sind
- Bleiche Berge aus dem Urozean
- Neues Bildband-Projekt für Südtirol mit einigen Herausforderungen
- Knifflige Planung der Fototour
- Kreuz und quer durch die Wunderwelt der Dolomiten
- Südtiroler Originale – die Menschen in den Dolomiten
- Neue Bilder in der Galerie Südtirol & Dolomiten
Dolomiten – Berge, aus denen Legenden sind
Die Dolomiten bieten den Stoff, aus dem die Träume für Bergfans und Fotografen sind, die aus aller Welt hierher strömen. Doch warum eigentlich? Was macht die Dolomiten so besonders, warum magnetisieren sie so sehr?
Das mag einerseits daran liegen, dass hier die Heimat von Berg-Legenden wie Reinhold Messner oder Luis Trenker ist. Ersterer ist zweifelsohne der bekannteste Abenteurer und Bergsteiger der Neuzeit, wuchs in Villnöss auf, ging zuerst in den heimatlichen Dolomiten in die Berge und ist heute ein Aushängeschild für die Region. Luis Trenker setzte in seinen Filmen den Dolomiten ein cineastisches Denkmal und machte sie so weltberühmt. Die Popularität der Dolomiten dürfte aber vor allem darauf zurückzuführen sein, dass das Gebirge in Aussehen und Ausstrahlung bis heute absolut einzigartig ist.
Star-Architekt Le Corbusier drückte es einst so aus: „Die Dolomiten sind das schönste Bauwerk der Welt.“ Der geniale Baumeister war niemand anderes als die Natur. Die Baustelle war das Meer, genauer der Urozean. Kaum zu glauben, das hier vor Jahrmillionen alles von Wasser bedeckt war, wenn man heute fasziniert über saftig grüne Almen wandert und seine Augen gen Himmel zu den steilen, bizarr geformten Türmen und Zinnen richtet. Diese Berge sind nichts anderes, als versteinerte Algen- und Korallenriffe.
Bleiche Berge aus dem Urozean
Hunderte Millionen Jahre lang entstanden sie im warmen Tethysmeer. Als dieses verschwand, stiegen sie sonderbar bleich, majestätisch und bizarr hinauf. Als sie das Tageslicht erblickten, waren sie so ganz anders als alle anderen Berge. Im Jahr 1788 löste eine Forschergruppe um den Geologen Dolomieu das Rätsel ihres besonderen Aussehens. Die Berge bestehen nämlich aus magnesiumhaltigen Kalkstein. Und werden seitdem zu Ehren des Wissenschaftlers Dolomiten genannt. Es dauerte nicht lange, bis sie auf Grund ihres einzigartigen Aussehens bekannt wurden und Postkarten aus Südtirol um die Welt gingen. 2009 wurden die Dolomiten schließlich in die Liste der UNESCO-Weltnaturerbestätten aufgenommen.
Neues Bildband-Projekt für Südtirol mit einigen Herausforderungen
Ende September, ich war gerade im Harz angekommen, um hier meinen alljährlichen Landschaftsfotografie Workshop durchzuführen. Das Telefon klingelte. Der renommierte Verlag Frederking & Thaler fragte nach, ob ich mir vorstellen könnte, einen Bildband über Südtirol und die Dolomiten anzufertigen.
Einen Bildband über mein Lieblingsgebirge? Na klar, ich war gleich Feuer und Flamme. Es gab nur ein „kleines“ Problem, wie sich im Verlauf des langen Telefonats herausstellte. Das Buch sollte nämlich bereits im ersten Halbjahr 2022 erscheinen, die meisten Bilder möglichst schon Ende Oktober vorliegen. Also bereits in vier Wochen. Und es wurde noch herausfordernder.
Der Verlag wollte bei diesem Buch nämlich ein neues Konzept eines Bildbands austesten. Zum einen sollten dem Leser eben nicht nur weltbekannte Landmarken wie Drei Zinnen oder Seiser Alm gezeigt, sondern auch sehr viel weniger bekannte Orte vorgestellt werden. Außerdem sollte nicht nur die Landschaft an sich eine Rolle spielen, sondern auch die Menschen, die ihn ihr leben und wirken. Ich sollte also echte Südtiroler Originale portraitieren, die zusammen mit der Naturkulisse den einzigartigen Kulturraum der Dolomiten ausmachen. Welche Menschen genau das sein sollten, wusste man aber auch noch nicht genau. Diese mussten erst einmal gefunden, kontaktiert und überzeugt werden.
Also ein riesiger Planungsaufwand plus die Reise in die und durch die Dolomiten binnen vier Wochen. Eigentlich fast ein Ding der Unmöglichkeit. Da mich das Projekt aber sehr reizte und ich etwas verrückte Herausforderungen sowieso liebe, sagte ich trotzdem zu.
Knifflige Planung der Fototour
Kaum war ich wieder zu Hause angekommen, machte ich mich eilig an die Tourplanung und Recherche. Auf Grund der Kurzfristigkeit eine ziemlich knifflige Aufgabe. Erschwerend kam hinzu, dass ich noch nicht genau wusste, wo genau ich eigentlich hinfahren sollte, um die gewünschten Portraits und Reportagen aufzunehmen. Ich recherchierte, nahm Kontakt zur Südtiroler Wirtschaftskammer und dem Tourismusverband auf. Parallel telefonierte sich Nina Ruhland, Redakteurin des Bergsteiger-Magazins und gut vernetzt, die Finger wund und versuchte Leute zu erreichen und von unserem Vorhaben zu überzeugen.
Wenige Tage später ging es dann schon los. Mit zwei Tagen Verzögerung, da Anfang Oktober zu allem Ungemach auch noch mehrere Tage Dauerregen in den Dolomiten herrschte, ein Losfahren also noch keinen Sinn machte. Noch während der langen Fahrt in die Dolomiten versuchte ich Termine abzuklären, Unterkünfte zu bekommen und ein letztes Bettenlager auf den Hütten zu ergattern, die in wenigen Tagen fast alle geschlossen sein würden. Eigentlich mag ich diese Kurzfristigkeit gar nicht, ich bin eher ein Freund des Planvollen. Sei’s drum, irgendwie musste ich das jetzt hinbekommen und freute mich auf das etwas verrückte Abenteuer.
Kreuz und quer durch die Wunderwelt der Dolomiten
Meine erste Station war das Vinschgau und hier natürlich zuerst der legendäre versunkene Kirchturm im Reschensee. Von dort aus ging es dann die nächsten Wochen kreuz und quer durch die Dolomiten. Im Nationalpark Stilfser Joch war ich berauscht von den unfassbaren Tönen der herbstlichen Lärchenfärbung, geheimnisvollen, einsamen Bergseen und denkwürdigen Blicken auf König Ortler. Etwas unterhalb im Ultental – auch als Valle Ultimo bekannt – lies ich mich vom mysteriösen Charme der kleinen Bergdörfer mit ihren urigen Holzhäusern, Wassermühlen und den wie gemalt wirkenden Hügeln erzaubern.
In den Ampezzaner Dolomiten erlebte ich großes Felsenkino, bestaunte die gigantischen Felsmonolithen der Cinque Torri, war legendären Gipfeln wie dem Lagazuoi oder Tofane ganz nah. Wieder ganz anders, aber nicht weniger eindrucksvoll war mein Besuch bei den surreal wirkenden Erdpyramiden, die man zum Beispiel oberhalb Bozens findet und die vor allem im Nebel wie aus einer anderen Welt wirken.
Ziemlich wild und einsam war es dann in den Brenta-Dolomiten und dem Naturpark Adamello-Brento. Sogar wilde Bären gibt es hier noch. Die Region haben viele Besucher trotz der spektakulären Landschaft bis heute nicht auf dem Schirm, die besten Aussichtspunkte sind teils nur über halsbrecherische, unbefestigte Pisten oder über steile Bergwanderungen zu erreichen. Hier fand ich auch so einige atemberaubende Wasserfälle. Auch im Naturpark Pannevegio-Pale geht es vergleichsweise ruhig zu und auch hier warten atemberaubende Aussichten auf uns Fotografen, die durchaus an Patagonien erinnern.
Mit der Beschaulichkeit und wenigen Menschen war es dann aber vorbei, als ich zum Schluss der Tour noch einige bekannte Wahrzeichen wie die Drei Zinnen oder den Pragser Wildsee ansteuerte. Letzteren hatte ich vor über zehn Jahren das letzte Mal besucht. Der See funkelte türkis wie eh und je, nur die bestimmt 100 Instagramer im Morgengrauen waren neu hinzugekommen, trotz bitterkalter Temperaturen. War mir vorher schon klar, aber ich wollte trotzdem neues Bildmaterial von diesen Highlights anfertigen.
Schließlich folgte ich noch den Spuren der Dolomitenfront, deren ebenso schaurige wie beeindruckende Relikte, etwa Panzersperren, Stellungen und Bunker man heute noch vielerorts unter freiem Himmel entdecken kann. Angesichts der aktuellen, schrecklichen Lage in der Ukraine wird mir doppelt gruselig zumute, wenn ich mir die Bilder dieser Kriegsschauplätze heute noch einmal ansehe.
Südtiroler Originale – die Menschen in den Dolomiten
Neben den vielen landschaftlichen Eindrücken waren es die Begegnungen, die diese Tour zu einer ganz besonderen machten. Auf meiner Reise traf ich zahlreiche faszinierende Menschen, die ich für das Buch portraitieren durfte. Bereitwillig gaben sie mir Einblick in ihr Wirken im Schatten der Dolomiten, erlaubten mir einen authentischen Blick hinter die Kulissen. An dieser Stelle noch einmal ganz lieben Dank für alle Südtiroler, die mitgemacht haben!
Am Passo del Erbe begleitete ich die Südtiroler Helikopter-Bergrettung Aiut Alpin auf einem ihrer Einsätze. Im Morgengrauen flog ich zusammen mit den ehrenamtlichen Helfern auf den Peitlerkofel. Ein Erlebnis der Extraklasse, was mich zugleich demütig zurück ließ. Ich habe riesengroßen Respekt dafür, dass die Helfer völlig ehrenamtlich und in ihrer Freizeit regelmäßig ihr Leben aufs Spiel setzen, um andere Menschen aus misslichen Notlagen in den Bergen zu befreien.
In Salurn lernte ich den letzten Lederhosen-Schneider Südtirols kennen. Norman Ventura hat das alte Handwerk von seiner Familie übernommen und ist sonst ein ganz normaler junger Mann. Zwischen Nähmaschinen und gegerbtem Leder stehen Boxen, aus denen laut dröhnend Hip Hop tönt. Tradition meets Moderne.
In Barbian treffe ich mich mit Harald Gasser, einem Ökobauern, der es zu weltweiter Bekanntheit gebracht hat. Er ist einer der Pioniere der nachhaltigen Landwirtschaft. Seine Leidenschaft es ist, längst vergessene Gemüse- und Obstsorten zu rekultivieren. Über 800 davon hat er bereits vorm Vergessen gerettet, von den Pflanzen der alten Maya und Azteken bis zur schwarzen Tomate. Sterneköche geben sich hier die Klinke in die Hand. Zum Ende gibt er mir einen ganzen Korb seines außergewöhnlichen und äußerst schmackhaften Gemüses mit.
Auf der Plose oberhalb Brixens empfängt mich Familie Frener herzlich. Auch hier auf 1.400 Metern geht es um nachhaltige Landwirtschaft. Rund um ihren idyllischen Schmiedthof baut die Familie vor allem ökologische Heilkräuter an und bietet sie unter dem Label Herba Plose als Tees, Salben oder Duftkissen an.
In Tramin führt mich Winzerin Elena Walch durch ihre weitläufigen Weinberge am Fuße des Kalterer Sees. Sie gewährt mir Einblicke in ihren altehrwürdigen Weinkeller, wo so einige kulinarische Schätze lagern. Ihr Weingut ist schließlich weltbekannt und ein Aushängeschild Südtirols. Zusammen mit ihren Töchtern führt sie den traditionellen und dennoch sehr modernen Familienbetrieb. Wein ist weiblich, hier in Südtirol.
Auch im urigen Ultental finde ich Generationen-übergreifende Frauenpower. Hier treffe ich Dr. Franziska Schwienbacher und ihre Mutter Waltraud. In ihrer Winterschule geben sie das Wissen alter Handwerks- und Agrarkunst Südtirols weiter und pflegen auch selbst die alten Traditionen von Spinnen bis Kräuterkunde.
Schließlich darf ich noch den Luxus genießen, eine der schönsten Berghütten Südtirols ganz für mich allein zu haben. Spektakulärer Blick auf Peitlerkofel und Geislerspitzen inklusive. Gekrönt durch echte Sterneküche – Hüttenwirt Franz war früher nämlich Koch in Haubenrestaurants. Die Hütte ist eigentlich schon geschlossen, doch Franz macht eine Ausnahme und empfängt mich überaus herzlich. Da er selbst begeisterter Hobby-Fotograf ist, gehen wir sogar noch gemeinsam auf Fototour. Mit seinem Jeep fahren wir über die irrwitzigsten Strecken zu unseren Spots.
Neue Bilder in der Galerie Südtirol & Dolomiten
Als ich von der ziemlich anstrengenden, aber sehr spannenden dreiwöchigen Tour wieder nach Hause fuhr, hatte ich jede Menge schöne Erinnerungen, neue Freundschaften und tausende Bilder im Gepäck. Eine kleine Auswahl davon zeige ich in meiner Dolomiten-Galerie. Sehr viel mehr wird es dann in meinem neuen Bildband geben, welcher voraussichtlich im Sommer diesen Jahres erscheinen wird.