Im letzten Oktober führte mich eine intensive Fototour einmal mehr in die Dolomiten. Der Grund dieser Reise war ein mein Bildband Südtirol & Dolomiten, für das ich kurzfristig und mit ziemlichen Zeitdruck Bilder aufnehmen sollte. Dafür bin ich kreuz und quer durch Südtirol, das Trentino, Belluno und Venetien gefahren. Gestartet habe ich meine Tour ganz im Norden Südtirols nahe der Schweizer und Österreichischen Grenze.
Versunkener Kirchturm trifft auf verschwundenen Reschensee
Meine erste Station war das Vinschgau, genauer das Langtauferer Tal. Hier erwartete mich mein erstes fotografisches Wunschsujet: der Reschensee mit seinem legendären Kirchturm, der seit Jahrzehnten mitten aus dem Wasser ragt.
Kaum angekommen, gingen die Herausforderungen der insgesamt sehr anstrengenden Tour schon los. Zwar hatte der tagelange Regen endlich aufgehört. Dafür pfiff mir heftiger Orkanwind um die Ohren. Nicht gerade die optimalen Bedingungen für meinen Plan, eine Spiegelung des Kirchturms im türkisen See aufzunehmen. Oder besser gesagt: in der Pfütze, die noch vom See übrig geblieben war. Das Gewässer war nach dem langen heißen Sommer nämlich fast ausgetrocknet. Die Uferkante erinnerte eher an einen Braunkohle-Tagebau, als an ein Seeidyll.
Zum Glück gab es noch etwas Wasser in dem Teil des Sees, in dem die Kirchspitze zu verorten ist. Sie ragte zwar nun viel weiter aus dem Wasser als normalerweise. Aber immerhin war sie überhaupt noch von Wasser umgeben. So konnte ich dann doch noch mein gewünschtes Motiv ablichten. Der Sturm machte zwar die Reflexion des Wassers zunichte, sorgte dafür aber für dramatische Wolken und ein imposantes Farbenspiel am Himmel.
Wie der Kirchturm ins Wasser kam
Der Kirchturm mitten im See ist ein ebenso bizarres wie faszinierendes Schauspiel und ist heute ein echter Touristenmagnet. Auch gilt er als das Wahrzeichen des Vinschgaus. Seine Geschichte ist allerdings weniger erfreulich. Die romanische Kirche aus dem 14. Jahrhundert ist Zeitzeuge einer rabiaten Politik in den 1940/50er Jahren.
Der Konzern Montecatini wollte damals den Reschensee stauen, das um seine Bevölkerung wenig bedachte Mussolini-Regime hatte zugestimmt und die Einheimischen dabei einfach übergangen.
Der zweite Weltkrieg verzögerte zwar das Projekt, jedoch wurde es kurz nach Kriegsende 1947 zum Entsetzen der Einheimischen fortgesetzt. Drei Jahre später wurden hunderte Hektar Land einfach geflutet, hunderte ansässige Familien verloren ihren Grund und auch die historische Kirche verschwand weitgehend in den Wassermassen. Heute steht der Turm im Reschensee unter Denkmalschutz.
Drachenzähne und Bunker – Relikte des Dolomiten-Krieges
Gar nicht weit entfernt vom Reschensee befindet sich ein anderes Zeugnis unrühmlicher Geschichte. Angesichts der landschaftlichen Idylle der Dolomiten ist es heute kaum vorstellbar: das schöne Gebirge war in beiden Weltkriegen mehrfach Schauplatz eines erbitterten Stellungskrieges. Noch heute findet man überall in den Dolomiten die stillen Zeugen dieser traurigen Zeit. Am bekanntesten sind sicherlich die Relikte im Naturpark Drei Zinnen, in den Ampezzaner Dolomiten und eben im Vinschgau. Auch dieses unrühmliche wie spannende Kapitel der Geschichte wollte ich in meinem Bildband thematisieren.
Dazu musste ich aber erst einmal die Wanderschuhe schnüren. Nach einer steilen zweistündigen Wanderung von Graun aus erreicht man die moorige Hochebene Plamort. Bereits auf dem Weg hinauf findet man immer wieder Bunker und Stellungen im Wald, etwa unweit der Etschquelle. Oben angekommen trifft man auf Wasser- und Schützengräben und Bunkeranlagen, die in die Berge gegraben wurden. Am eindrucksvollsten sind aber sicherlich die riesigen „Drachenzähne“, wuchtige Panzersperren aus Beton, die mit bedrohlichen Stahlspitzen versehen sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde diese Anlagen hier oben im Hochgebirge errichtet, um für die befürchtete Invasion feindlicher Armeen gewappnet zu sein. Heute bilden sie einen bizarren, nachdenklich stimmenden Kontrast zu der doch eigentlich so friedlichen Berglandschaft.
Schneebedeckte Gipfel und wilde Pferde im Hochmoor
Und diese ist hier oben besonders idyllisch. Ausgedehnte Hochmoore leuchten im Herbst in bunten Farben, auf den satten Hängen grasen wilde Pferde. Farbenfrohe Bergketten umrahmen steil gezackt die Hochebene. In der Ferne glitzern die schneebedeckten Bergriesen der Ötztaler Alpen, auf den anderen Seite steigen König Ortler und andere italienische Bergriesen in den Himmel. Zu ihren Füßen ergießen sich türkis schimmernd Reschensee und Haidersee.