Heute startet eine neue Artikelserie im Blog: das Bild des Monats. Nomen est omen möchte ich hier monatlich ein Foto aus meinem Bildarchiv vorstellen und etwas zu seiner Entstehungsgeschichte erzählen. Den Auftakt bildet eine aktuelle Aufnahme aus Island. Das Bild zeigt den Gullfoss, den „Goldenen Wasserfall“, eine der isländischen Sehenswürdigkeiten schlechthin.
Gemeinsam mit der historischen Versammlungsstätte Þingvellir und den benachbarten Geysiren bildet der Gullfoss den berühmten Goldenen Ring. Der Wasserfall, den man auf isländisch übrigens „Gödlfoss“ ausspricht, hat seinen poetischen Namen der goldenen Farbe zu verdanken, die er manchmal bei Sonnenuntergang annimmt. Die Wassermassen des Flusses Hvítá donnern mit lautem Getöse über zwei breite Kaskaden in eine tiefe Schlucht. Der Gullfoss ist zwar bei Weitem nicht der höchste Wasserfall auf der Insel, gilt aber als schönster seiner Art. In jedem Fall ist der am meisten besuchteste.
Eigentlich bin ich überhaupt kein großer Freund von Touristenattraktionen und bevorzuge lieber einsame oder unbekanntere Locations. Unsere Route auf der Ringstrasse führte uns aber ohnehin an den Fällen vorbei. Und so legten wir natürlich auch einen Stop bei diesem berühmten Naturschauspiel ein.
Als wir ankamen bewahrheitete sich, was ich schon befürchtet hatte. Prallgefüllte Touristenbusse entleerten die menschliche Fracht auf den großen Parkplatz. Laute Warteschlangen an bunten Souvenirständen. Besuchermassen trampelten über die angelegten Rundwege. Japanische Reisegruppen posierten vor den herabstürzenden Fluten. Winkten fröhlich für ihre Erinnerungsfotos. Und tauchten noch viel lieber in meinem Sucher auf. Genau das, was man als Landschaftsfotograf braucht..
Mitten im Getümmel baute ich mutig mein Stativ auf. Nicht ohne nebenbei die Fragen einer Gruppe neugieriger Schulkinder zu beantworten. Wozu ich denn die „Fernbedienung“ bräuchte. Und was das da für ein schwarzes Ding vor der Kamera sei. Nach meinem spontanen Kurzreferat über Funkauslöser und Graufilter, wandte ich mich wieder dem Bildaufbau zu.
Stellte die Kamera mal hier und mal dort hin. So richtige Euphorie wollte sich aber einfach nicht einstellen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, all das schon tausendfach gesehen zu haben, obwohl ich nie zuvor an diesem Ort gewesen bin. Zweifelsohne ist der Wasserfall ein wundervolles Schauspiel der Natur. Aber er ist eben auch schon „tot fotografiert“ worden. Keine Postkarte und kein Reiseführer ohne Gullfoss. Immer die gleichen Ansichten. Eben das bekannte Grundübel von Sehenswürdigkeiten, zumindest für uns Fotografen.
Fürs erste baute ich mein Stativ wieder zusammen. Noch wollte ich die Hoffnung aber nicht aufgeben, doch noch eine interessante, ungewöhnliche Perspektive zu finden. Suchenden Blickes ließ ich mich im Besucherstrom treiben. Plötzlich entdeckte ich unten in der Schlucht einen winzigen blauen See inmitten saftig grünen Grases. Direkt dahinter stürzte sich die obere Kaskade des Gullfoss in die Tiefe.
Die Szenerie faszinierte mich. Ich verweilte einige Zeit an dieser Stelle und ließ meiner Fantasie freien Lauf. Das fallende Wasser bildete Figuren, die beschwingt auf der Abbruchkante zu tanzen schienen. Ich baute das Stativ wieder auf und hob es soweit als möglich über die Absperrung. Eine wacklige Angelegenheit, denn die Kamera stand so direkt am windigen Abgrund. Dafür war der Blick endlich frei. Mit dem Tele verdichtete ich die Perspektive. Ein Blick durch den Sucher entlockte mir schließlich ein Lächeln. So hatte ich den Gullfoss in der Tat noch nicht gesehen.
Nun musste ich nur noch einen günstigen Moment abwarten. Der starke Wind wehte immer wieder Gischtwolken in die Bildkomposition. Nach einigen Minuten des Wartens dann ein kurzer Moment der Windstille und die Aufnahme war im Kasten. Zeit für ein Erinnerungsfoto. Winkewinke.
Aufnahmedetails:
Nikon D800, 300 mm, f/13, Neutraldichtefilter, Belichtung 1/3 Sekunde
Bild des Monats? Find ich Super. Ich freue mich immer sehr über deine Kompositionen.
Eben schreiben mit Licht.
Hallo Hagen, vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich, dass dir meine Kompositionen gefallen und lade dich herzlich ein, meine von nun an meine (hoffentlich) regelmäßigen Bildbesprechungen zu verfolgen.