Kapstadt sei die schönste Stadt der Welt. So ist es oft, selbst von vielgereisten Globetrottern zu hören. Und noch häufiger in den Reiseführern und Hochglanzbroschüren zu lesen. Die freundlichen Capetownians sind davon ohnehin überzeugt. Grund genug, den Gerüchten einmal nachzugehen. Oder zu fahren. Schon bei der Anfahrt über den spektakulären Küstenhighway lässt sich erahnen, dass es sich in der Kapmetropole in naturgesegneter Lage leben lässt.
Dies erkannte auch der holländische Kaufmann Jan van Riebeeck, als er 1652 mit seinen Schiffen in der Tafelbucht anlegte und damit den Grundstein für Kapstadts wechselvolle Geschichte legte. Sie ist somit die älteste Stadt Südafrikas. Mothertown, Mutterstadt, nennen die Einwohner ihre Metropole deshalb auch voller Stolz. Böse Zungen führen dies eher darauf zurück, dass hier alles mindestens 9 Monate dauert. Die selbstbewussten Einwohner entgegnen dann gern, dass in Johannesburg und Pretoria eben gearbeitet, in Kapstadt aber gelebt wird.
Anlass zur Lebensfreude gibt es ja auch wahrlich genug. Auf Grund der einmaligen Lage genießt man selbst im Büroalltag ständig das Gefühl, dass der nächste Kurzurlaub nur einen Steinwurf entfernt liegt. Nach dem frühen Feierabend geht es zum Wellenreiten oder Kitesurfen in die False Bay. Oder einfach zum Relaxen an einen der weitauslaufenden Traumstrände mit ihren bunten Umkleidekabinen. Vielleicht genießt man einen Amarula-Cocktail unter den weißen Baldachinen der angesagten Beachbars in Camps Bay. Oder man verkostet einen der edlen Tropfen in den weltbekannten Weinbergen, die sich nur wenige Kilometer außerhalb der City erheben. Oder unternimmt eine Wanderung mit anschließendem Picknick auf einen der vielen Aussichtspunkte wie dem Signal Hill. Vielleicht beobachtet man aber auch einfach nur das fröhliche Treiben der Brillenpinguine am Boulders Beach. Die Möglichkeiten scheinen unendlich. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Kapstädter als Meister des laissez-faire gelten.
Vielleicht ist die mediterran anmutende Lebensart auch auf das milde Klima der Stadt zurückzuführen? Die Temperaturen sind durch die exponierte Lage zwischen Meer und Bergen meist angenehm. Im Winter zwar frisch aber nicht zu kalt, im Sommer warm aber nicht zu heiß. Der vom Tafelberg herab fallende „Kapdoktor“ sorgt häufig für eine kühlende Brise und nimmt dabei Smog und Hitze mit aufs Meer hinaus.
Ideale Bedingungen also auch für die erlebnishungrigen Besucher, die vielen Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Um sich einen ersten Überblick über die weiträumige Innenstadt mit ihren vielen Steigungen zu verschaffen, nimmt man am besten in einem der roten Doppeldeckerbusse Platz. Das ist nicht nur bequem, sondern auch noch ziemlich preisgünstig. Dabei werden auf der beeindruckenden Tour nahezu alle wichtigen Attraktionen mitgenommen. Vom tief in den Atlantik gebauten Hafen bis zum hoch über der Stadt thronenden Gipfelplateau des Tafelbergs. Es dürfte auf der Welt nur wenige Sightseeing-Fahrten geben, die eine derartige Bandbreite an natürlichen und von Menschenhand geschaffenen Attraktionen in sich vereinen.
Die maritime Victoria & Albert Waterfront lädt mit ihren schmucken Läden und Restaurants zwischen Clocktower und Segelyachten zum Verweilen ein. Feierlich ist der Wachwechsel im wuchtigen Castle of Good Hope, dass in der Form eines Pentagons gebaut ist. Gegenüber die Grand Parade mit dem prächtigen Rathaus, dass sich mit seiner gelben Fassade im Kolonialstil majestätisch vor dem Tafelberg erhebt. Der lebhafte Greenmarket mit seinen Souvenirhändlern und Kunsthandwerkern. Das Regierungsviertel um die Government Street mit dem klassizistischen Parlament. Kapholländische Architektur gibt es in der Strand Street. Hippe Boutiquen, Galerien und Plattenläden residieren hinter den pastellfarbenen Fassaden im viktorianischen Stil in der Longstreet.
Das Greenpoint Stadium im gleichnamigen Stadtteil wurde eigens für den FIFA Worldcup 2010 neu errichtet und ist sicherlich ein Highlight für alle Fußballfans. Grün dominiert auch in den Company Gardens, dem größten Park der Stadt. Weitere urbane Naturerlebnisse verspricht der Kirstenbosch National Botanical Garden. Direkt an den Hängen des Tafelbergs gelegen, ist hier die gesamte Pflanzenwelt des südlichen Afrikas zu bestaunen. Die bekannteste Sehenswürdigkeit ist natürlich der Tafelberg selbst. Wenn er denn zu sehen ist. Oftmals ist das schieferne Wahrzeichen von dichten, milchigen Wolkenschwaden umhüllt. Wenn „der Teufel sein Tischtuch abgedeckt“ hat, wie man hier zu sagen pflegt, sollte man sich schleunigst in Richtung Seilbahn begeben. Den atemberaubenden Rundumblick auf die Metropole und die Kaphalbinsel aus 1.085 Metern Höhe muss man wenigstens einmal gesehen haben. Danach versteht man auch, warum die die Innenstadt den Beinamen City-Bowl trägt.
Auch wenn das Wetter einmal nicht so sonnig ist, gibt es genug zu entdecken. Etwa das riesige Two Oceans Aquarium, wo man auch mit Haien tauchen kann. Oder die vielen erstklassigen Ausstellungen in der South African National Gallery, dem Jewish oder dem South African Museum.
Zu einem Kapstadt-Besuch gehört es aber auch, sich mit der nicht immer sehr erfreulichen Geschichte der Stadt auseinanderzusetzen. Überall finden sich Zeugnisse der bewegten Vergangenheit. Etwa der von der Apartheid einfach mit Bulldozern platt gewalzte Stadtteil District Six, an den heute nur noch eine einzige Kirche, eine Moschee und das gleichnamige Museum erinnern. Das islamische Bo-Kaap-Viertel, dessen Bewohner, Sklaven aus Malaysia, Java und Indien, ihre Häuser zum Protest gegen ihre Peiniger kunterbunt anstrichen. Heute sind die dort lebenden Menschen natürlich frei, der farbenfrohe Anstrich aber ist geblieben. Ein Pflichtbesuch ist Robben Island, jene berüchtigte Gefängnisinsel, auf der politische Oppositionelle wie der Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela Jahrzehnte lang ihrer Freiheit beraubt wurden. Der Ort gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. Eine andere Stätte von historischer Bedeutung ist die St. George Cathedral, in der Erzbischof Desmond Tutu mit seinen Friedensgebeten und Predigten friedlich gegen die Apartheid protestierte.
Die Townships am Stadtrand sind eine weitere traurige Hinterlassenschaft der Apartheid. Zwar wird heute niemand mehr gezwungen dort zu wohnen. Doch nur die wenigsten schaffen auf Grund der großen Armut den Absprung von dort. Wer sich wirklich für Südafrika interessiert, sollte sich auch einmal auf diese andere Seite der kapstädtischen Realität begeben. Zugleich eindrucksvoll und bewegend ist es, wie die bitterarmen und doch oft liebenswürdigen Bewohner ihr hartes Leben zwischen Bretterverschlägen und Wellblech, Arbeitslosigkeit und Kriminalität mit viel Improvisationstalent zu meistern versuchen.
Noch vor zwanzig Jahren war Kapstadt touristisch weitgehend abgeschrieben und in vielen Stadtbereichen geradezu verwahrlost. Heute ist sie eine der trendigsten Metropolen des Planeten und zieht Auswanderer aus aller Welt und den internationalen Jetset gleichermaßen an. Die Luxusvillen in den Nobelstadtteilen sind mittlerweile äußerst gefragt. Die Immobilenpreise sind in den letzten Jahren förmlich explodiert.
Den Abend eines erlebnisreichen Tages verbringt man am besten in einem der vielen ausgezeichneten Restaurants an der Waterkant. Oder besucht das legendäre Mama Africa mit seiner bunten Fassade. Im Inneren locken südafrikanische Spezialitäten und typischer Cape Town Jazz. Wer es romantischer mag, begibt sich mit einer guten Flasche regionalen Weins auf den Lions Head. Atemberaubend ist hier oben das funkelnde Lichtermeer, dass sich scheinbar endlos vom Atlantik bis in die schroffen Berge hinaufzieht. In diesen Augenblicken ist man versucht in den Lobreigen der Globetrotter und Reiseführer einzustimmen. Und kann ressümieren, dass an den Gerüchten durchaus etwas dran ist: Das Kapstadt tatsächlich eine der schönsten Städte der Welt ist. Aber eben auch eine der Widersprüchlichsten.